What's right?Und wer liefert künftig Strom?

Der Rückzug von Eon aus der Energieerzeugung ist ein Fanal. Die Politik hat ihre planwirtschaftliche Energiewende rundherum vermasselt. Dabei geht es um mehr als nur um Kosten für AKW-Abrisse.

Wolfram Weimer: Der Journalist war Chefredakteur der Tageszeitung „Die Welt“, des Politikmagazins „Cicero“ und des „Focus“. Er bezeichnet sich selbst als wertkonservativ.
Wolfram Weimer: Der Journalist war Chefredakteur der Tageszeitung „Die Welt“, des Politikmagazins „Cicero“ und des „Focus“. Er bezeichnet sich selbst als wertkonservativ.

Die Arbeit der Großen Koalition ist finanzpolitisch vorbildlich, außenpolitisch konziliant, sozialpolitisch prassend, wettbewerbspolitisch inexistent, aber energiepolitisch ist sie katastrophal. Die deutsche Energiewende droht zum Desaster dieser Legislaturperiode zu werden, und die Ankündigung des Energiekonzerns Eon, sich aus der klassischen Energieerzeugung komplett zu verabschieden, ist dafür ein Fanal. Denn während naive Ökostrom-Missionare noch jubeln, dämmert der Politik, dass großes Ungemach auf Deutschland zukommt. Bislang denken Gabriel & Co. freilich bloß an die Kosten für den Abriss von Atomkraftwerken. Doch das eigentliche Problem hinter der Entscheidung ist viel größer. Es geht um Deutschlands Energieversorgung.

In Wahrheit ist der Rückzug Eons eine Kapitulation. Die Energieversorger geben vor den Irrungen und Zumutungen der deutschen Energiepolitik verzweifelt auf, weil ihnen die Politik die Räume so eng gemacht hat, dass sie darin ersticken. In der politischen Klasse herrschte zu lange der Eindruck, man könne Eon und RWE einfach ausquetschen wie Zitronen - nun bekommt man eine Ahnung, dass einfach kein Saft mehr da ist. Beide Konzerne haben jeweils mehr als 30 Milliarden Euro Schulden, beide haben gewaltige Investitionen schultern müssen, um in Deutschland eine stabile Energieversorgung zu gewährleisten. Beiden wurden über Nacht  Atomkraftwerke abgeschaltet, Gaskraftwerke unrentabel gemacht und Sondersteuern aufgebürdet. Ihnen wird die Chance, die Investitionen auch zurück zu verdienen, einfach aus der Hand geschlagen. Damit gefährdet die Politik eine langfristig planbare und wirtschaftliche Energieversorgung - die Basis wirtschaftlichen Erfolgs in Deutschland.


Berlin wollte - im Gegensatz zu nahezu allen anderen wichtigen Industriestaaten der Welt – nach dem Unglück von Fukushima so schnell es geht aus der Kernkraft aussteigen. Koste es, was es wolle. Nun kostet das erst einmal. Denn die einsame Energiewende der Deutschen ist bislang ein Kurzschluss.

Es versacken zig Milliarden in Subventionen alternativer, aber eben unrentabler Energien. Die Netze müssen mit weiteren Milliarden ausgebaut werden, was die Politik aber auch kaum durchsetzen kann. Die Versorgung wird zusehends labil und die Strompreise steigen so, dass ganze Industriebranchen in die Abwanderung getrieben werden. Die energie-intensive Industrie in Deutschland ist existenziell bedroht.

Die Energiewende gleicht kommunistischer Planwirtschaft

Stattdessen wird ein sozialistisches Zwangsabgabensystem installiert, das wegen irrwitziger Einspeisesubventionen für Ökostrom inzwischen sogar die modernsten und saubersten Gaskraftwerke der Welt zum Stillstand zwingt. Da in der Not mehr Kohle verstromt werden muss, verschlechtert sich auch noch die Klimabilanz.

Wo man in der Energiewende hinschaut sind die Absichten missraten.

Der deutschen Politik ist es nicht einmal gelungen, unsere unmittelbaren Nachbarn für den Atomausstieg zu gewinnen. Frankreich, England, Polen und Tschechien bauen ihre Atomanlagen sogar aus. In Deutschland hingegen wird das drohende Desaster mit immer neuem, planwirtschaftlichem Aktionismus verschlimmert. In einer Woche werden Kohlkraftwerke als unabdingbar eingestuft, in der nächsten wird ihnen aus klimaschutzgründen die Abschaltung nahe gelegt. Von Strompreisbremsen bis zur Netzgeldverordnung fummelt die Politik im Markt herum wie weiland die SED in ihren Kombinaten. 

Zu den Hauptleidtragenden dieser Politik zählen vorerst die beiden Konzerne Eon und RWE, direkt dahinter die Industrie, bald aber alle Verbraucher. 

Die beiden deutschen Energiekonzerne waren jahrzehntelang internationale Leuchttürme technischen und wirtschaftlichen Erfolgs. Sie waren industrielle Cluster, Innovationskerne, an denen hunderte von Mittelständlern hingen und Weltmärkte erobern konnten. Jetzt wanken sie einer wilden Politik hinterher, die sich nicht darum schert, wie viele Arbeitsplätze und Marktpositionen und Milliarden vernichtet werden. 

Mehr als 50 Milliarden Euro haben beide Unternehmen an Marktkapitalisierung an der Börse bereits verloren - dahinter stecken Ansprüche von Rentenfonds und Spargroschen von Millionen Deutscher. Wer fragt in der ökotrunkenen Politik danach?

Die Energiewende hat binnen kurzer Zeit also das bewirkt, wovon Kommunisten immer geträumt haben: Energiekonzerne werden zerschlagen, der Markt wird Planwirtschaft. Die Frage ist nur - wer wird sich in Zukunft um die Stromversorgung in Deutschland noch kümmern, wer investiert? Will der Staat auch das noch übernehmen, um den Energie-Sozialismus zu vollenden?

Wolfram Weimer war Chefredakteur der Tageszeitung Die Welt, des Politik-Magazins Cicero und des Focus. Er bezeichnet sich selbst als wertkonservativ.

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